Grundlagen stresstheoretischer Modelle
13. Januar 2021

Grundlagen stresstheoretischer Modelle

In der westlichen Wissenschaft findet der Stressbegriff erst seit dem Jahre 1950 Verwendung. Stress gilt mittlerweile als ein gesellschaftliches wie auch medizinisches Massenphänomen und wird seitdem umfangreich erforscht. Ein bedenklicher Trend wird in der Aussage der Weltgesundheitsorganisation WHO deutlich, welche Stress zu einer der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts zählt. Stress in seiner modernen Ausprägung ist ein komplexes Phänomen mit enormer medizinischer, psychologischer wie auch psycho-sozialer Tragweite und geradezu epidemieartigen Ausmaßen.

Der Begriff „Stress“ ist in seiner heutigen Bedeutung vor allem durch die Pionierarbeit von Hans Selye (1907-1982) geprägt worden. Dieser beschreibt Stress als eine unspezifische Reaktion des Organismus auf Belastungen. Diese Belastungen können sowohl extern (umweltbedingt) als auch intern entstehen.

Die oft herangezogene Aussage, dass Stress die Ursache aller Krankheiten und Lebensprobleme sei, ist aus wissenschaftlicher Sicht kritisch zu betrachten. Dennoch gilt eine gesundheitsschädigende Wirkung von Stress als klar belegt (Faltermaier; 2005, Knoll; 2005).

Stress wird selten durch einzelne Reize ausgelöst, sondern ist meist auf multiple Ursachen auf unterschiedlichen System- und Funktionsebenen zurückzuführen. Unterschiedliche Stressreize ziehen weiterhin interindividuell sehr unterschiedliche Stressreaktionen nach sich, was eine klare Kategorisierung des Stressphänomens erschwert.

Vereinfacht beschrieben besteht Stress vor allem aus den folgenden drei Komponenten: Den Stressoren, der Stressreaktion und den persönlichen Stressverstärkern.

  • Unter der Stressreaktion wird die körperliche, emotionale, gedankliche und auch verhaltensbezogene Reaktion auf Stress verstanden. Es gibt sowohl körperliche als auch mental-emotionale Stressreaktionen.
  • Persönliche Stressverstärker finden sich in individuellen Einstellungen und Bewertungen. Diese tragen wesentlich dazu bei, dass Stressreaktionen ausgelöst oder verstärkt werden. Hierher gehören beispielsweise Ungeduld, Perfektionismus, Kontrollstreben, Einzelkämpfertum, Selbstüberforderung, Aufopferung und vieles mehr.
  • Unter Stressoren versteht man vorrangig externe Anforderungsbedingungen der Umwelt, wie z. B. berufliche oder auch familiäre Leistungsanforderungen, die als bedeutsam und belastend eingeschätzt werden. Es handelt sich um Bedingungen und Situationen, die beim Individuum eine Stressreaktion hervorrufen.

Stressampel

Stresssymptome sind daher komplexe Vorgänge, welche auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig stattfinden. Stress äußert sich auf körperlicher, emotionaler, kognitiver, behavioraler und sozialer Ebene. Neben physiologischen Problemen können durch Stress auch psychische und psychosoziale Beschwerden ausgelöst werden. In der Fachliteratur findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Stresstheorien und Stressmodelle. Sowohl biologische Stresstheorien als auch psychologisch und soziologisch informierte Modelle gelten als umfangreich untersucht.

Weiterhin ist zu unterscheiden zwischen endogenen und exogenen Stressoren. Äußere bzw. externe oder auch exogene Stressoren sind umweltbedingt und umfassen soziale, physikalische oder biologische Stressoren und Reize. Innere bzw. endogene Stressoren entstehen hingegen intern und äußern sich dann als emotionaler oder psychischer Stress. Auch antizipierte oder imaginäre Ereignisse (zum Beispiel negative Zukunftsszenarien oder die Erinnerung an negative Vergangenheitserfahrungen) können als Stressoren fungieren, wenn diese als emotional belastend erlebt werden.

Als Antwort auf jegliche dieser Stressoren kommt es auf multiplen Ebenen zu der Stressreaktion. Eine solche kann auf der körperlichen, emotionalen, kognitiven, behavioralen und sozialen Ebene ablaufen und spielt sich meistens auf mehreren Ebenen simultan ab. Die Reaktion des Einzelnen auf belastende Situationen wird darüber hinaus wesentlich durch die individuelle/subjektive Einschätzung, Bewertung und Interpretation der potenziellen Stresssituation determiniert.

In allen Modellen zur Erklärung von Stress wirken externe Ereignisse und Reize auf den Organismus oder die Psyche ein und führen zu einer Überforderung. Unterforderung gilt ebenfalls als potenzieller Stressor. Besonders länger anhaltende, widersprüchliche, sich schnell wandelnde oder plötzlich auftretende Stressoren belasten die individuellen Bewältigungsressourcen für Stress. Wenn die Anpassungsleistung an die Stressoren eine für das Individuum zu hohe Intensität und/oder Dauer annimmt, kommt es zu Überlastungserscheinungen und zu negativen Stresssymptomen (Kaluza; 2004). Dazu zählen äußere wie auch innere Reize, die von körperlicher, psychischer oder sozialer Seite auf ein Individuum einwirken.

Litzcke et al., 2013, fassen unterschiedliche Kategorien von Stressoren wie folgt zusammen:

  • physische Stressoren (Lärm, Hitze, Nässe, Hunger, Entzündungen, Schmerz)
  • soziale Stressoren (Konkurrenzdruck, Trennung, Isolation, Mobbing, Konflikte)
  • aufgabenbezogene Stressoren (Über-, Unterforderung, Zeitdruck, Prüfungen)
  • arbeitsbezogene Stressoren (z. B. Überstunden, Schichtdienst, organisatorische Faktoren)
  • Rollenstressoren (z. B. Rollenkonflikte, Rollenunklarheit)
  • veränderungsbezogene Stressoren (z. B. neue Weltbilder, Methoden, Arbeitsgeräte, Lebenssituationen)
  • traumatische Stressoren (psychologische oder emotionale Traumata, Unfälle, Verletzungen, Krankheit)

Stressoren führen zu Stressreaktionen auf unterschiedlichen Ebenen:

  1. Somatische/körperliche Ebene:
    Herzklopfen, Übelkeit, Verdauungsbeschwerden, Schlafstörungen, erhöhte Muskelspannung, schnellere Atmung, Schwächegefühl etc.
  2. Emotionale Ebene:
    Zunahme als negativ empfundener Emotionen und Gefühlszustände wie Angst, Ärger, Frustration, Wut, Reizbarkeit, Traurigkeit, Hilflosigkeit etc.
  3. Kognitive Ebene:
    Abnahme der Konzentration, geringere kognitive Fähigkeiten, Abnahme kreativer Fähigkeiten, Zunahme negativer Gedanken und Gedankenprozesse
  4. Behaviorale Ebene:
    Rückzug, erhöhte Aggressivität, Zwangshandlungen, fehlende Ordnung, fehlendes Zeitmanagement, Zunahme von Suchtverhalten und Abhängigkeiten.
  5. Sozialen Ebene: Rückzug, soziale Isolation, Zunahme interpersoneller Konflikte, Zunahme sozialer Ängste.

Ein Stressor kann auf jeder dieser Ebenen spezifische Reaktionen hervorrufen. Die verschiedenen Stressebenen beeinflussen sich gegenseitig, können sich gegenseitig verstärken und greifen ineinander über. So können beispielsweise regelmäßige Schlafstörungen aufgrund von Zukunftsängsten und chronisch negativen Gedankenmustern auch zu Konzentrationsproblemen führen. Diese verstärken wiederum den Stress im Arbeitskontext und führen zu Folgeproblemen.

Die oben genannten Aspekte gelten als zentrale Faktoren und Ebenen von Stress und finden in der interdisziplinären Forschung große Übereinstimmung.

Literaturverzeichnis

Faltermaier, T. (2005). Gesundheitspsychologie. Grundriss der Psychologie, Band 21. Stuttgart: Kohlhammer.

Kaluza, G. (2004): Stressbewältigung. Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung. Springer-Verlag: Berlin Heidelberg.

Knoll, N., Scholz, U. & Rieckmann, N. (2005). Einführung in die Gesundheitspsychologie. München: Reinhardt.

Litzcke, S., Schuh, H., Pletke, M. (2013): Stress, Mobbing und Burn-out am Arbeitsplatz. Springer-Verlag Berlin Heidelberg.

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